Wo viel Licht ist, muss man den großen Schatten auch nicht lange suchen!?
| von Britta Bäcker
Es heißt immer, dass Bienen Licht- oder Sonnenwesen sind... Das lässt sich gut beobachten: Fallen die ersten Sonnenstrahlen auf den Bienenstock, locken sie regelrecht die Bienen aus ihrem Bau auf das Flugbrett. Und ist es dann tatsächlich schon warm genug, erheben sie sich in die Lüfte. Die Bienen streben dem Licht entgegen – sie nehmen auch lichtvolle Nahrung zu sich, verletzen dabei die Blüte, von der sie beschenkt wurden, aber niemals.
Die Begattung der Königin vollzieht sich nicht im stillen Kämmerlein irgendwo in einer dunklen Ecke des Bienenstocks. Nein, der Akt (besser: die Vereinigungen, denn es sind mehrere) geschieht nur bei voll angeschaltetem Licht. Die Sonne bestrahlt das Ritual mit all ihrer Kraft. Hoch oben nimmt die Königin nur von den Drohnen Samen entgegen, die es in ihre Lichtsphäre geschafft haben. Und das sind die stärksten, vitalsten, aktivsten Vertreter ihres eher erdhaften Naturells.
Was geschieht danach? Die Drohnen, die bis zur (und in der) Königin gekommen sind, haben ihre Lebensaufgabe erfüllt – sie sterben. Die Königin aber kehrt mit einem riesigen Vorrat genetischer Vielfalt in ihren Stock zurück, der bis zu ihrem Lebensende ausreicht und für all ihre Nachkommen und damit für das Reifen ihres Volkes sorgt.
Der Bienenstock ist kein lichtvoller Palast, jedenfalls scheint es so. Das Wort „stockdunkel“ ist allen Menschen geläufig und oft auch unheimlich, wenn dieser Zustand in der technisierten Welt erlebt wird.
Für die lichthaften Bienen jedoch ist die absolute Dunkelheit die Heimat ihrer Wahl. So sehr sie mit der Sonne verbunden sind, so sehr brauchen sie auch das Dunkle ihres Stockes. In dieser Finsternis (aus menschlicher Sicht) schaffen die Bienen Wunder: Sie bauen ihre Vorratskammern, ihre Wiegen für den Nachwuchs, ihre Arbeits- und Tanzfläche, ihren Leib aus sich heraus. Sie produzieren aus lichthafter Nahrung, die mit körpereigenen Stoffen vermengt wird, flüssiges Gold, für das sie seit Urzeiten von Menschen und Tieren ausgeräubert werden.
Es gibt Stimmen, die behaupten, dass es im Bienenstock gar nicht dunkel ist – sondern dass dieser Eindruck lediglich durch unser Alltagsbewusstsein entsteht. Die Königin soll die Lichtquelle des Stockes sein. Sie soll so stark leuchten, dass sie das Innere komplett erhellt. Sie soll die Bienen durch ihren Glanz magnetisch anziehen.
Was ist nun die Wahrheit? Diesen Gedanken hänge ich am heutigen Herbstmorgen nach... Gibt es nur das, was ich mit meinen geschulten Wahrnehmungsorganen erkenne? Oder existiert noch eine Anderswelt – gleichberechtigt neben der sogenannten Realität?
Ich bin den Bienen sehr dankbar: Sie sind es, die mich mitnehmen auf eine Reise in zwei Welten – egal, wie wir diese Welten bezeichnen: „hell und dunkel“, „Licht und Schatten“, „Realität und Fantasie“. Die Bienen lehren mich noch mehr Erd- und Naturverbundenheit und eröffnen mir gleichzeitig ungeahnte Räume.